Die Fruchtbarkeit vom Steinschaf, die Folgsamkeit vom Bergamaskerschaf, sehr gute Milchleistung, Gesundheit und Widerstandsfähigkeit von beiden: So ist das Engadinerschaf eine Veredelung von zwei Rassen – im Weinbau würde man sagen: ein ganz gelungener Cuvée.
Der Profi-Schäfer schätzt die Leistungseigenschaften genauso wie der Hobby-Schäfer die Zutraulichkeit und den eigenständigen Charakter dieses Schafes.
So oder so – Engadinerschafe bereiten mit Sicherheit mehr Freude an der Schafhaltung.
Die Rasse-Eigenschaften sollen weiter erhalten und ausgeprägt werden: ein geländegängiges und milchbetontes Exterieur, das für eine gute Raufutterverwertung geeignet ist; Top-Fundament, grobe Bewollung und weitere spezifische Rassenmerkmale bei Kopf und Körperfarbe.
Wer mehr zu Rassestandards und Zuchtziel wissen möchte, findet im Züchterservice die Dokumente für den Download.
Das Engadinerschaf zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus, die in Reinzucht weiter erhalten oder gar ausgebaut werden:
Die Ostalpen wurden seit dem späten Mittelalter von italienischen Schäfern genutzt. Ihre Bergamaskerschafe hielten sich über den Sommer in grosser Anzahl auch im Kanton Graubünden und im Südtirol auf. Immer wieder vermischten sich die grossen Bergamaskertypen mit den angestammten Steinschaf-Typen – zuerst im Südtirol, später auch im Unterengadin, als die Tiroler Hirten ihre Tiere für die Sömmerung über den Ofenpass führten. Daraus entwickelte sich ein Schlag, der sich besonders an die harten Anforderungen der Berge anpasste.
Schon damals wurden die Schafe als mischwollige Tiere mit Ramskopf und Hängeohren beschrieben, die sich durch eine ausgeprägte Fruchtbarkeit auszeichneten. Auch ihre widerstandsfähigen Klauen und die Trittsicherheit im Gebirge wurden speziell hervorgehoben.
Das Engadinerschaf fiel auch der Rassenbereinigung um Mitte des 20. Jahrhunderts zum Opfer, als es sich wirtschaftlich noch lohnte, Tiere mit einer besseren Fleischleistung zu halten. Heute haben wir andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Im Rahmen der Rassenerhaltungsprogramme von ProSpecieRara wurde die letzten Exemplare des fuchsfarbenen Engadinerschafes, welches seiner braunen „Kutte“ wegen auch romanisch „besch da pader“ (Pater-Schaf) genannt wird, gezielt gefördert. 1992 wurde der Schweizerische Engadinerschaf-Zuchtverein (SEZ) gegründet. Mittlerweile ist der Bestand auf über 3000 Herdebuchtiere angewachsen, Tendenz steigend. Die Zahl der rassereinen Engadinerschafe (auch solche ohne Abstammungsnachweis) wird auf gegen 10’000 Tiere geschätzt.
Wer mehr über die Abstammungsgeschichte wissen möchte, erhält einen reichhaltigen Einblick mit dem Buch „Schafgeschichte & Lammgerichte“. Mit einzigartigen Bildern und historisch fundierten Analysen macht es auf die Stärken der traditionellen Alpenrassen aufmerksam. Nicht weniger als 120 Schafrassen und –schläge finden darin Erwähnung. Zudem werden für den heutigen Schafhalter wieder wirtschaftlich interessante Perspektiven aufgezeigt. Heterosiseffekt heisst das Zauberwort und das Buch erklärt auch, warum geschmacklich gutes und gesundes Fleisch kein Zufall ist. Hier bestellen.
Die Fruchtbarkeit der Engadinerschafe ist sprichwörtlich. Je nach Ablammsystem spielt die Rasse seine Stärken aus. Bei einmaliger Ablammung pro Jahr können häufige Zwillings-geburten erwartet werden. Eine Saisonalität gibt es nicht, d.h. die Ablammungen können genau so geplant werden, wie das Lammfleisch nachgefragt wird.
Wer das Ganze Jahr über Fleisch möchte, lässt den Widder immer in der Herde. Dabei ergeben sich beeindruckende Fruchtbarkeitsleistungen von bis zu drei und mehr Lämmer je Aue und Jahr – im Durchschnitt sind es etwas über 2.5 Lämmer je Aue und Jahr.
Erreicht werden diese Leistungen durch die kurzen Zwischenlammzeiten, welche sogar unter 200 Tage reichen können – im Durchschnitt sind es etwa 230 Tage.
Robuste und fruchtbare Zuchtauen können so in 7 Nutzungs-jahren beeindruckende Lebensleistungen bis gegen 20 Lämmer oder mehr erreichen.
Dazu kommen die hervorragenden Aufzuchteigenschaften mit einer ansprechenden Milchleistung, nach der züchterisch weiter selektiert wird.
Wald und Gebüschwald nehmen in der Schweiz seit 150 Jahren zu – heute so schnell wie nie zuvor. Beunruhigend schnell ist vor allem die Ausbreitung des Gebüschwaldes: im Alpenraum werden jährlich 1000 ha von Gebüschwald überwachsen. Gebüschwald besteht aus über 70% aus Grünerlen. Die Grünerle wächst unheimlich schnell, verunmöglicht eine natürliche Wiederbewaldung und die Biodiversität nimmt- vor allem wenn ganze Talflanken verbuschen- drastisch ab. Die Grünerle fixiert dank ihren Symbiosepartnern den Luftstickstoff, sie produziert ihren Dünger quasi selbst, was zu Nitratüberschüssen und Lachgas-Emissionen führt. Lachgas ist rund 300-mal klimaschädlicher als CO2. Eine Bekämpfung durch Roden ist schwierig, weil die Grünerle dann noch mehr Triebe bildet und ein noch undurchdringlicheres Gebüsch bildet.
Seit dem Jahr 2017 erfolgen im Urserntal Versuche, wie die Grünerlen mit Engadinerschafen zurückgedrängt und bekämpft werden können. Und es funktioniert! Die Engadinerschafe haben bereits in drei Jahren nennenswerte stark verbuschte Flächen als Sömmerungsweiden zurückerobert.
Engadinerschafe sind vor allem im Frühling so gierig auf die Rinde, dass sie nicht nur einfach die Rinde schälen, sondern auch tiefer das Holz verletzen, was letztlich die Pflanze zum Absterben bringt.
Die Widerstandsfähigkeit der Engadinerschafe gründet auf einer jahrhundertelangen Selektion der Bergamaskerschafe, die einen Stall damals kaum zu Gesicht bekamen. Gesunde Klauen und leichte Geburten waren unabdingbare Voraussetzungen – sowohl für die langen Wanderungen wie auch für die dauernde Haltung im Freien.
Gerade heute sind sowohl für den Hobbyhalter wie für den Berufsschäfer problemlose Tiere gefragt, denn eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit und regelmässige Geburtsprobleme können die Freude an der Schafhaltung leicht verderben. Beim Engadinerschaf sind vergleichsweise wenig Probleme zu erwarten, wenn auch Fütterung und Haltung stimmt.
Der grossrahmige Körperbau und das gut gewinkelte Becken ermöglichen auch Paarungen mit schwereren Mastwiddern, ohne Geburtsprobleme befürchten zu müssen.
Die geringe Anfälligkeit auf Klauenfäule infolge des harten Hornmaterials wird von Experten und Umstellungszüchtern immer wieder bestätigt und ist auch ein wichtiger Grund, warum diverse Züchter auf Engadinerschafe umgestellt haben.
In der Gebirgsgängigkeit stehen sie den Ziegen nur wenig nach. Das Schweizer Fernsehen zeigte in einem DOK-Film „Kopf und Kragen für 1000 Schafe“ den Schafabtrieb aus dem Innern Aletschi mit der Schafscheid bei der Belalp. Auf der Alp befand sich auch eine grössere Engadinerschaf-Herde, die in einigen Sequenzen positiv auffallen.