Schweizerischer Engadinerschaf Zuchtverein

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Einführung der Zuchtwertschätzung

(Link für das PDF zum Ausdrucken und zur Kurzanleitung Sheep Online siehe ganz unten)

Einführung der Zuchtwertschätzung

Seit Ende des letzten Jahres werden für Engadinerschafe Zuchtwerte gerechnet. Diese sind nun für Zuchttiere in Sheeponline ersichtlich.

Folgende Merkmale sind ausgewiesen mit entsprechender (provisorischer) Gewichtung für den Gesamtzuchtwert (in Klammern):

  • Zuwachs direkt (18%)
  • Zuwachs maternal (Milchleistung der Mutter; 26%)
  • Erstablammalter (12%)
  • Zwischenlammzeit (zwischen 1. und 2. Wurf; 22%)
  • Wurfgrösse beim 1. Wurf (0%)
  • Wurfgrösse beim 2. Wurf (22%)

Der Durchschnitt der Zuchtpopulation liegt bei 100 für jedes Merkmal. Ein Tier, das darüber liegt, ist überdurchschnittlich – eines, das darunter liegt, ist unterdurchschnittlich, wobei bei der Zwischenlammzeit kurze Zeiten und beim Erstablammalter ein junges Alter als überdurchschnittlich gelten. Der Gesamtzuchtwert fasst alle Merkmale in einem Wert zusammen. Dabei wurde die Fruchtbarkeit (Total 56%) höher gewichtet als der Zuwachs (44%).

Unterschied Eigenleistung – Zuchtwert 

Die Eigenschaften eines Tieres (Phänotyp) werden nicht nur von der Genetik, sondern auch von Umweltbedingungen geprägt. Je grösser der Umwelteinfluss ist, desto kleiner ist die Erblichkeit (Heritabilität). Die Zuchtwerte für Zuwachs und Fruchtbarkeit sind von einer eher geringen Heritabilität geprägt, weil die Fütterung (Zuwachs) bzw. das Ablammsystem (Fruchtbarkeit) einen hohen Einfluss hat. Besonders klein ist die Heritabilität für die Fruchtbarkeit, aber auch für Gesundheit und Langlebigkeit, was die Zucht auf solche Eigenschaften entsprechend erschwert und unsicher macht. Deshalb ist es sinnvoll, bei solchen Eigenschaften auf die Eigenleistung des Tieres im Vergleich zum eigenen Herdendurchschnitt zu achten. Eine Zucht auf das Exterieur hat hingegen eine relativ hohe Heritabilität, weshalb wir bei den Nachkommen auch schnell ein Ergebnis sehen. Die Exterieur-Eigenschaften werden später über eine LBE (Lineare Beschreibung) erfasst, welche dann ebenfalls mit Zuchtwerten ausgewiesen werden.

Unser bisheriger Leistungsausweis (Leistungsblatt in Sheeponline) bezieht sich auf die Eigenleistung des Tieres, wobei wir hier die Lebensleistung betrachten. Dabei werden die Wägeergebnisse der Nachkommen (Tageszuwachs), alle Zwischenlammzeiten (Ablammrate) und alle Würfgrössen gemittelt und ausgewiesen. Der Tageszuwachs wird in Abweichung zum Herdendurchschnitt dargestellt, worauf auch die Vergabe des Milchleistungsabzeichens beruht. Beim Vergleich innerhalb der Herde sind die Umweltbedingungen weitgehend konstant, was für Fruchtbarkeitsmerkmale (Erstablammalter, Zwischenlammzeit, Wurfgrösse) eben besonders wichtig ist. 

Jeder Züchter und jede Züchterin weiss: Ein Tier kann noch so gute Eigenleistungen haben, ob es diese auch an die Nachkommen weitergibt ist unsicher. So können auch bei uns Menschen die Töchter völlig anders sein als die Mütter und die Söhne nur wenig Ähnlichkeiten mit den Vätern haben, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer weitgehenden «Ähnlichkeit» am höchsten ist.

Der Vorteil von Zuchtwerten ist nun, dass alle Daten der Verwandtschaft (Vorfahren, Geschwister und Nachkommen) mit einbezogen und Umwelteffekte weitgehend herauskorrigiert werden. Damit entspricht der Zuchtwert dem genetischen Potential eines Tieres. Doch auch Zuchtwerte weisen eine gewisse Unsicherheit auf, die mit dem Bestimmtheitsmass ausgedrückt wird. Zudem berücksichtigen die vorliegenden Zuchtwerte bei der Fruchtbarkeit leider (noch) nicht die ganze Lebensleistung eines Tieres, sondern nur die erste und zweite Geburt.

Wie sollen Zuchtwerte interpretiert werden?

Die Zuchtwerte sind Schätzungen. Ob ein Tier nun einen Zuchtwert von 103 oder 106 hat, ist nicht relevant – beide Tiere sind durchschnittlich. Zur Interpretation gilt folgende Richtschnur:

90 – 110= durchschnittlich80 – 89 = eher schlecht
111 – 120= eher gut70 – 79 = schlecht
121 – 130= gut< 70 = sehr schlecht
> 130= sehr gut  

Wenn die Zuchtwerte auffällig sind, ist es sehr wichtig, dass auch das sogenannte Bestimmtheitsmass angeschaut wird. Jeder Zuchtwert ist mit einem Bestimmtheitsmass in % angegeben. Je tiefer die Heritabilität (hoher Umwelteinfluss) und je geringer die vorhandene Datenmenge in der Verwandtschaft des Tieres, desto geringer ist dieses Mass bzw. desto höher ist die Unsicherheit. Das Bestimmtheitsmass entspricht somit der Wahrscheinlichkeit, dass der Zuchtwert auch effektiv an die Nachkommen übertragen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Zuchtwert (Bsp. 120) sich in den effektiven Eigenschaften des Nachkommens niederschlägt, ist bei 120 zwar immer am höchsten, doch mit abnehmendem Bestimmtheitsmass steigt das Risiko, dass es doch anders kommt. Die Abbildung 1 versucht das zu illustrieren (siehe auch PDF).

Die linke Abbildung (1a) mit einem guten Bestimmtheitsmass zeigt eine schmale bzw. steile Normalverteilung – die Wahrscheinlichkeit, dass der Wert von 120 an die Nachkommen übertragen wird ist eher hoch. Die rechte Abbildung (1b) mit einem schlechten Bestimmtheitsmass hat eine flache Normalverteilung, womit es gut möglich ist, dass der effektive Wert daneben liegt. Allerdings ist auch klar, dass es bei einem Zuchtwert von 120 eher wahrscheinlich ist, dass das Tier über dem Populationsdurchschnitt (>100) liegt. 

Weitgehend sichere Bestimmtheitsmasse liegen über 60%, solche unter 30% sind mit Vorsicht zu geniessen, Werte unter 20% sind sehr unsicher. Infolge des grossen Umwelteinflusses liegen die Bestimmtheitsmasse vor allem bei den Fruchtbarkeitsmerkmalen oftmals auf einem tiefen Niveau. Darum empfiehlt es sich, die Daten zur Lebensleistung anzuwenden. Unsere Fruchtbarkeitszeichen ^°* sind hierfür eine gute Orientierungshilfe. Sie können im Abstammungspapier auf die Vorfahren zurückverfolgt werden und geben auch einen Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit der Vererbung, wenn die Umweltbedingungen (Fruchtbarkeitsmanagement) immer konstant waren.

Zuwachs im Zuchtwert differenziert

Während wir bisher den durchschnittlichen Tageszuwachs nur auf die Milchleistung der Aue bezogen haben (maternaler Zuwachs), wird bei der Zuchtwertschätzung dieser Wert aufgeteilt in einen direkten und einen maternalen Zuwachs. Diese Aufteilung ist möglich, indem die Tageszunahmen von Mutter’s Nachkommen mit den Nachkommen ihres Bruders oder anderen männlichen Verwandten verglichen werden. Nun ist es so, dass der direkte Zuwachs mit dem maternalen Zuwachs (Milch) negativ korreliert ist. Eine Zucht auf Milchleistung verringert damit in der Tendenz das direkte Wachstumsvermögen. Es gibt aber immer wieder Tiere, welche sowohl im direkten wie auch im maternalen Zuwachs über dem Durchschnitt liegen. Abbildung 2 zeigt dies beispielhaft an Daten von Schwarznasenschafen (Burren und Jörg, 2013). Wer auf mehr Zuwachs wert legt ist gut beraten, Tiere im rechten oberen Quadrat für die Zucht zu selektieren. Das sind jene Tiere, welche sowohl im direkten wie im maternalen Zuwachs einen Zuchtwert von über 100 aufweisen.

Fazit

Die neuen Zuchtwerte bieten eine ergänzende Entscheidungshilfe bei der Selektion von Jungauen und beim Widderkauf. Dies gilt insbesondere beim Zuwachs (direkt oder maternal), weil dort das Bestimmtheitsmass eher höher liegt. Bei den Fruchtbarkeitsmerkmalen soll den Lebensleistungen mehr Gewicht gegeben werden, weil sie die ganze Lebenszeit abdecken.

Wer einen Jungwidder sucht, schaut am besten die Zuchtwerte von Mutter und Vater an.

Neben Eigenleistungen, Zuchtwerten und dem Exterieur gibt es natürlich zahlreiche weitere Kriterien, die eine Selektion von Jungauen und Widder beeinflussen sollen wie zum Beispiel auch die genetische Präsenz, die Inzucht, der Charakter oder gesundheitliche Anfälligkeiten hinsichtlich Parasiten, Durchfall oder Klauen. 

Jeder und jede, der züchtet weiss, dass kein Tier perfekt ist und immer eine Abwägung vorgenommen werden muss. Unsere Eigenleistungsmerkmale, insbesondere die Leistungsabzeichen, sind allesamt auf lange Lebensdauer und damit auf eine gute Gesundheit ausgerichtet. Wir können davon ausgehen, dass langlebige Tiere mit hoher Eigenleistung sich optimal auf den jeweiligen Standort mit den entsprechenden Umweltbedingungen angepasst haben und deshalb zu bevorzugen sind.

Diesen Artikel könnt Ihr hier als PDF herunterladen.

Hier ist die neue Anleitung für Sheep Online und Zuchtwertschätzung. (Zuchtselektion mit Sheep Online – Kurzanleitung)

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